Jacqueline Strupler
Von der Missionarstochter zur Schiessbudendame





«Ich bin Sternzeichen Wildsau – man darf auf keinen Fall zimperlich sein. Es gibt dreckige Hände, Hornhaut und kakuppte Nägel. Und man ist bei jedem Wetter draussen.»

Jacqueline Strupler
Von der Missionarstochter zur Schiessbudendame





«Ich bin Sternzeichen Wildsau – man darf auf keinen Fall zimperlich sein. Es gibt dreckige Hände, Hornhaut und kakuppte Nägel. Und man ist bei jedem Wetter draussen.»

Auf den ersten Blick erfüllt Jacqueline Strupler alle Klischees, die man mit einer Schiessbudendame verbindet: Langes blondes Haar, enganliegende Hosen, Fransenjacke und lange Fingernägel. Erst auf den zweiten Blick bemerkt man, wie genau einen die hellen Augen mustern, und wie bestimmt und sicher sie sowohl mit den Kunden als auch mit den Gewehren umgeht. Der Weg dahin war allerdings lang. Aufgewachsen ist Jacqueline Strupler nämlich in einer Missionarsfamilie – beide Brüder arbeiten heute als Missionare bei einem Projekt in Kambodscha. Die ersten Lebensjahre verbrachte sie in der Schweiz und dann in den USA, bevor sie mit ihren Eltern mit 17 wieder in die Schweiz zurückkehrte. Hier machte sie eine KV-Lehre, die sie später für ihr Geschäft gut brauchen konnte. Dann, ca. Mitte der 90er Jahre, rief eine gute Freundin sie an, die eine Schiessbude besass, und fragte ob Jacqueline ihr eventuell in der Bude aushelfen würde. Wie aus der Pistole geschossen kam sofort die Antwort: «Nein… nicht tot in einer Schiessbude! Stell Dir vor, mich kennt jemand, ich würde mich so schämen.» Aber man soll niemals nie sagen…

Jedenfalls meldete sich dieselbe Freundin vier Jahre später nochmals mit der gleichen Frage – aber diesmal in Tränen aufgelöst, da ihre Aushilfe kurzfristig erkrankt war, und sie niemanden sonst fand, der einsprang. «Wo ist denn die Kilbi?», fragte Frau Strupler nach. Als sie erfuhr, dass die Kilbi in Kloten sei, erklärte sie sich bereit, ausnahmsweise auszuhelfen, da sie nicht damit rechnete, dort jemanden zu treffen, der sie kannte, was ihr noch immer wichtig war.

Besagte Freundin arbeitete sie eine Stunde lang ein und verschwand anschliessend während vier Stunden zum Kaffee trinken. Und diese Zeit reichte, um Jacqueline Strupler mit dem Kilbi-Virus anzustecken. Sich mit den Kunden zu unterhalten fiel ihr nicht schwer, denn schon von klein auf war sie sehr kommunikativ und sprach bei den wöchentlichen Kirchenbesuchen mit den Eltern oft vor vielen Leuten. So kam ihr das: «Mol schüsse, mol schüsse?» leicht über die Lippen. Als die Freundin schwer erkrankte, betrieb Frau Strupler die Bude für sie eine Zeitlang weiter, bis das nicht mehr ging. Dann kaufte sie ihr, mit dem Segen der Eltern, die Schiessbude ab. Das ist mittlerweile gute 20 Jahre her.

Während der ersten zehn Jahre arbeitete sie zusätzlich zur Schaustellerei ‹nebenbei› zu 100%. Das bedeutete für sie: praktisch keine Freizeit mehr während der Kilbisaison, ständiges Herumreisen, und immer wieder neue Situationen, auf die sie sich einstellen musste. Das war nicht einfach, vor allem als Frau alleine in einer Schiessbude, was auch noch heute eher als Männerdomäne gilt. Entsprechend viele Steine wurden ihr in den Weg gelegt. Aber sie liess sich nicht unterkriegen, in ihren Worten: «Ich sehe zwar aus wie Zucker, aber ich bin nicht aus Zucker!» Sie macht alle ihre Transporte selbst, bockt auf und ab, stellt die Bude auf, und führt den Wohnwagen. Wie sie von sich selbst sagt: «Ich bin Sternzeichen Wildsau – man darf auf keinen Fall zimperlich sein. Es gibt dreckige Hände, Hornhaut und kaputte Nägel. Und man ist bei jedem Wetter draussen.»

2012 baute sie eine neue Bude, da die alte nun über 40-jährig war, und man ihr das Alter auch ansah. Wichtig war ihr vor al-lem, dass sie genau gleich aussah. Einen grossen Teil der Arbeit machte sie selbst, so unter anderem die ganze Verkabelung der Lämpchen, die Montage der Teppiche und Riffelbleche und die Nägel an den Wänden. Spontan meint sie dazu: «Ich würde nie mehr selber eine Schiessbude bauen… Soviel Schweiss, Blut und Tränen hat es gekostet. Ich muss sagen, mein ganzes Herzblut steckt dort drin.»

Falls Sie, lieber Leser, für Ihre Angebetete allerdings eine Rose schiessen möchten, sind Sie bei der Pink Pearl-Schiessbude am falschen Ort. Jacqueline Strupler ist es wichtig, dass die Preise, die es zu gewinnen gibt, ihr selbst auch gefallen. Und die üblichen Stoffrosen findet sie grässlich. Wie sie glaubt: «Zwar sind die meisten Frauen höflich und bedanken sich natürlich für die Rose, aber innerlich denken sie meistens: nicht schon wieder so ein Staubfänger…» Deshalb gibt sie lieber kleine Plüschherzli oder Bärchen als Gewinn heraus. Selbst trifft sie mittlerweile alles, wenn sie am Stand schiesst. Sie verwendet, wie viele andere auch, das Luftgewehr Modell 30 von Diana. Die Gewehre müssen genau funktionieren, deshalb lässt Jacqueline Strupler ihre Waffen auch von einem professionellen Büchsenmacher in ihrem Wohnort warten, revidieren und pflegen. Schliesslich kennt auch sie das Klischee der ‹um die Ecke schiessenden Gewehre›, wogegen sie sich energisch wehrt.

Was sie in Basel speziell schätzt, sind die persönlichen Kundenkontakte. Mittlerweile kommen schon Erwachsene vorbei, die als Kind an ihrem Stand schiessen gelernt haben, und stellen ihr nun die Frau oder Partnerin und sogar die Kinder vor mit der Anweisung: «Hör gut zu und mach was die Frau sagt …Dann triffst du auch!»

Übrigens haben die Frauen auch hier aufgeholt. Waren es früher traditionellerweise Männer die zum Schiessen kamen, sind es heute vermehrt auch Frauen, die sagen: Ich schiesse mir meinen eigenen Plüschbären!